Über die gestrige Jahreshauptversammlung des FC Gelsenkirchen Schalke 1904 e.V. könnte man ein Buch schreiben, soviel Erwähnenswertes wurde gesagt. Ob immer das Richtige gesagt wurde, lasse ich mal dahingestellt.
Zuerst aber einmal die Fakten:
Die Wahl für den Aufsichtsrat: Clemens Tönnies (4.496 Stimmen) wurde erneut in den Aufsichtsrat gewählt. Peter Lange (2.744) erhielt ebenfalls genug Stimmen, um nach einem Jahr Abstinenz wieder ins Gremium zu kommen. Andreas Schollmeier (1.937) erhielt dementsprechend nicht genug Stimmen und scheiterte.
Wahl für den Ehrenrat: Die fünf Kandidaten, die vom Aufsichtsrat vorgeschlagen und en bloc gewählt wurden, erhalten die Mehrheit der Mitglieder. Der Ehrenrat setzt sich damit für die nächsten beiden Jahre aus den folgenden Personen zusammen: Prof. Dr. Klaus Bernsmann, Hans-Joachim Dohm, Klaus Fischer, Volker Stuckmann und Dr. Herbert Tegenthoff.
Satzungsänderungen: Die folgenden Satzungsänderungen wurden von den Mitgliedern beschlossen und werden umgesetzt:
Änderung zur Klarstellung der Antragsfrist bei Mitgliederversammlungen
Änderung zur Einführung eines elektronischen Wahlsystems
Wahl für das Ehrenpräsidium: Auch hier wurde en bloc gewählt und Manfred Kreuz, Dr. Peter Paziorek und Josef Schnusenberg wurden mit großer Mehrheit in das Gremium gewählt, welches nun 11 Personen beinhaltet.
Wahl für die Ehrenkabine: Klares Votum für Ala Urban und Raúl, die nun Mitglieder der Ehrenkabine sind. Auch hier war es eine en bloc Wahl, warum auch immer. Eine potentielle Änderung dieses Prozedere wurde von den Mitgliedern mit großer Mehrheit abgelehnt.
Entlastungen: Sowohl der Vorstand als auch der Aufsichtsrat wurden mit recht eindeutigen Mehrheiten entlastet.
Wenn man sich die Fakten durchliest, könnte man meinen, die Veranstaltung wäre ein Kindergeburtstag gewesen. War sie aber nicht. Um ehrlich zu sein, waren Wahlen, Ehrungen, Zahlen aus dem vergangenen Geschäftsjahr und das Sportliche waren gestern zum großen Teil nur Beiwerk. Die gestrige Jahreshauptversammlung stand schlicht und ergreifend unter dem Motto „Viagogo gegen ViaNOgo“.
Vorstand und Aufsichtsrat waren sich dieser Tatsache wohl bewusst, sonst hätten Clemens Tönnies (Eröffnung JHV) und Peter Peters (Vorstandsbericht Ressort Finanzen) nicht schon auf die unabdingbare Entscheidungen und deren Notwendigkeit hingewiesen. Es war dann Alexander Jobst in seinem Bericht des Vorstandes, der den Reigen der Schlagabtausche eröffnete. Gab es bei Clemens Tönnies und Peter Peters schon Pfiffe, knallte Jobst der geballte Unmut der Viagogo-Gegner ins Gesicht.
Die darauf folgende Rede von Horst Heldt brachte nur kurzzeitig Ruhe, denn es folgte die Aussprache zu den Berichten des Vorstandes. Und sollte Teile der Herrschaften auf dem Podium wirklich noch gedacht haben, dass es sich bei den Viagogo-Gegnern um eine kleine Minderheit handelt, wurde sie eines besseren belehrt. Die Mehrzahl der Beiträge bezogen sich auf das Thema Viagogo und vor allem die Beiträge von Stefan Barta, Rotschuh, Frank Zellin und Michael Eckl ernteten großen Applaus von mehr als zwei Dritteln der Mitglieder, teilweise zurecht mit stehenden Ovationen.
Ich hätte mit weniger Zustimmung zu diesem Thema gerechnet. Eine spätere, aber rechtlich folgenlose Abstimmung, über Viagogo ergab, dass sich ca. 80% der anwesenden Mitglieder gegen die Zusammenarbeit aussprachen. Eine Ohrfeige für Vorstand und Aufsichtsrat.
Entsprechend auch die Reaktionen. Alexander Jobst, Peter Peters und vor allem Clemens Tönnies reagierten mehrfach dünnhäutig und schockiert aufgrund der heftigen Kritik.
Nach der gestrigen Versammlung steht allerdings fest, dass die Kooperation mit dem ungeliebten Partner steht und in Kraft treten wird. Mehr als wachsweiche Lippenbekenntnisse von Jobst, den Partner genau zu beobachten und bei Eintreten von Problemen ggf. den Vertrag vorzeitig nach zwei Jahren zu kündigen. Kein wirkliches Trostpflaster. Und, so ehrlich muss man sein, bis auf wütende Pfeifkonzerte und teilweise auch unnötige Beschimpfungen gab es keine wirklichen Konsequenzen für Vorstand und Aufsichtsrat. Beide Gremien wurden entlastet und zu meiner Überraschung auch mit deutlichen Mehrheiten. Ich hätte es mir anders gewünscht, aber vielleicht sollte man es differenzierter betrachten.
Die gestrige Jahreshauptversammlung stand wie gesagt stark unter dem Fokus von Viagogo und die beiden verantwortlichen Gremien haben zu diesem Thema deutliche verbale Resonanz der Mitglieder erhalten. Aber, und das muss man auch mit aller Deutlichkeit sagen, die Arbeit des Vorstands war in den vergangenen Monaten zweifelsfrei nicht ausschließlich schlecht. Ich gebe Alexander Jobst ungern Recht, man muss ihm aber die Aussage zugestehen, dass „er seine Arbeit nicht nur auf Viagogo“ reduzieren lässt“.
Trotzdem sollte allen Beteiligten klar geworden sein, dass auf Schalke eben nicht alles einfach so hingenommen wird.
Ziemlich geärgert habe ich mich gestern über die Dramaturgie rund um die Person Clemens Tönnies. Er hatte seine Emotionen eigentlich noch nie im Griff und darf sich dann auch nicht beschweren, wenn es einmal hoch her geht. Ich fand es aber extrem unpassend, dass er vor der Wahl zum Aufsichtsrat seine emotionale Show rund um das Thema Ala Urban abgezogen hat. Das hatte nichts mit dem Bericht vom Aufsichtsrat zu tun und ärgert mich maßlos. Von mir aus spielt man diesen Beitrag vor der Wahl in die Ehrenkabine, aber nicht vor der Aufsichtsratswahl. Unpassend und fast beschämend. Ein Schelm, wer nun denkt, dass man es vielleicht zur Wiederwahl nötig hatte.
Was bleibt nun von dieser Jahreshauptversammlung?
Sind wir ehrlich: Nicht viel. Den beiden Gremien wurde sowohl im Vorfeld als auch während der JHV eindrucksvoll/lautstark zu verstehen gegeben, dass man auf Schalke eben nicht alles machen kann. So romantisch das klingt, wirkliche Konsequenzen gab es aber keine.
Man kann nur hoffen, dass die abgelassenen Floskeln von wegen „Wir haben verstanden“ und „Wir haben zugehört“ wenigstens ein stückweit ernst gemeint waren.
Auf Fanseite muss ich sagen, dass ich beeindruckt von den meisten Redebeiträgen war. Ich habe einige Leute gesehen, die nach Jahren der Ruhe mal wieder für eine Sache auf Schalke eingetreten sind. Das kann man nur positiv sehen.
Ansonsten bleibt das nüchterne Fazit, dass wir wohl mindestens in den kommenden beiden Jahren mit Viagogo leben müssen. Und die leise Hoffnung, dass der Grund der Proteste vielleicht verstanden wurde. Und der Grund für die Proteste geht weit über Viagogo hinaus.
derblauweisse by Jörg Selan 30.06.2013 http://wp.me/p1YvQU-1tU :
Mitbestimmung und Mitgliedsrechte von Vereinsmitgliedern wurden auf der JHV 2013 des FC Schalke 04 e.V. endgültig abgeschafft!
Genau das stört mich an der ganzen Sache! Obwohl ich nicht grundsätzlich auf der Viagogo Seite stehe, sollte es eigentlich für die Art und Weise wie der Vorstand/Aufsichtsrat, mit allen Anträgen umgegangen ist (mit meinen Anträgen passierte das gleiche) einen Aufschrei aller Mitglieder geben! Es geht dabei nicht nur um die Inhalte der Anträge, sondern um das grundsätzliche Recht auf Mitsprache, auf das Recht Anträge zu stellen und auf der JHV darüber abzustimmen! Ich war und bin erschrocken, wie selbstverständlich viele Mitglieder bereit sind den Weg von Vorstand/Aufsichtsrat mit zu gehen. Dass ihnen damit der Sinn und das Wesen eines eingetragenen Vereins genommen wird, stört offensichtlich nicht! Heute, einen Tag nach der JHV, realisiert man auch mit welchen Vokabeln Clemens Tönnies, unnötigerweise, spielte. Worte wie Ostfront, Adolf Hitler und Uli Hoeneß braucht eine Mitgliederversammlung des S04 einfach nicht! Ausdrücklich betone ich, diese Vokabeln hat er nicht missverständlich gebraucht! Aber er hat diese Worte auf einer JHV des S04 verwendet! Ich bin einfach froh, dass es Mitglieder wie Stefan Barta und die ViaNoGo Redner gibt! Mitglieder, die es mit ihren Redebeiträgen geschafft haben sachlich, ausgewogen und emotional überzeugend auf diese Missstände hinzuweisen! Stefan hat mir direkt zum Versammlungsbeginn meine Rede abgenommen. Ich wäre mit meinem Versuch wohl auch gescheitert, da ich auch kein Bändchen für den Innenraum hatte und noch dazu in meiner Beweglichkeit stark eingeschränkt bin. Dass es jetzt auch noch ein gerichtliches Nachspiel geben wird, sollte man nicht den ViaNoGo Leuten ankreiden. Die ganz Schalke schadende Verhandlung hat allein der Vorstand/Aufsichtsrat des FC Schalke 04 zu verantworten. Mitgliedsrechte gehören unzertrennlich zum Vereinsstatus!
So hätte gestern Abend mein Fazit der JHV 2013 ausgesehen:
Eine hoch emotionale JHV. Die Einen werden sagen, die Demokratie findet beim FC Schalke 04 nicht statt. Die Anderen werden sagen, ein energischer Clemens Tönnies hat den FC Schalke 04 fest im Griff. Beide Standpunkte treffen zu und charakterisieren den Verlauf und die Inhalte der diesjährigen JHV2013 meines Vereins. Das Ergebnis der Abstimmung über Viagogo (wurde ohne rechtlich Bedeutung durchgeführt) hat sehr deutlich gemacht, wie tief der Graben zwischen den Mitgliedern und Vorstand/Aufsichtsrat inzwischen geworden ist. Die Mitglieder haben mit ihrem Abstimmungsverhalten ihre Loyalität und ihr Verantwortungsbewußtsein für den FC Schalke 04 deutlich gezeigt. Mit der Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat haben sie darauf verzichtet, den Schalker Verantwortlichen einen Denkzettel zu verpassen. Es ist diesen tollen Mitgliedern zu verdanken, dass sich das mediale Echo in Grenzen halten wird. Ich hoffe das Angebot von Clemens Tönnies, dass sich jeder, der sich ungerecht behandelt fühlt, an ihn persönlich wenden kann, war nicht nur ein Versuch die offenen Fragen unter den Tisch fallen zu lassen. Ich jedenfalls werde sein Angebot annehmen und bin gespannt auf seine Reaktion.
Da ich leider persönlich nicht dabei sein konnte, vielen Dank für die Zusammenfassung!