Die Jahreshauptversammlung ist nun ein paar Tage her und trotzdem beschäftigt sie mich immer noch. So seltsam war der Verlauf auch war, beschleicht mich nun doch das Gefühl, dass die verantwortlichen Gremien eigentlich ihre Ziele erreicht haben. Natürlich, Vorstand und Aufsichtsrat wehte kräftiger Wind entgegen. Konsequenzen gab es aber keine. Selbst die Entlastung der Gremien wurde von den Mitgliedern durchgewunken.
Mit Sicherheit war die rechtsfolgenlose Abstimmung zum Meinungsbild der anwesenden Mitglieder zu Viagogo-Deal eindeutig, aber Konsequenzen? Nein!
Was bleibt also nun von der Jahreshauptversammlung. Nüchtern betrachtet bleibt den aktiven Viagogo-Gegnern nur das Gefühl, sich auf der Jahreshauptversammlung gut verkauft zu haben. Mehr wurde leider nicht erreicht. So offen und ehrlich muss man mit der Situation umgehen. Hinzu kommt, dass es mich wundern würde, wenn dieses Thema noch einmal in diesem großen Maße auf einer JHV diskutiert werden würde. Auf Schalke wechseln die Themen für die Allgemeinheit schnell. Ich kann mich nicht daran erinnern auf zwei Jahreshauptversammlungen hintereinander identische Themen diskutiert wurden.
Es bleibt also ein Riss zwischen Gremien und Viagogo-Gegnern. Ist der Riss bei eben diesem Thema zu kitten? Ich denke nein. Die Entscheidung ist durch und frühestens in zwei Jahren ist an eine Beendigung des Deals zu denken.
Blicken wir also in die Zukunft und auf das Verhältnis und das Miteinander von Gremien und „aktiven“ Mitgliedern. Und in diesem Zusammenhang fällt mir auf, wie leicht es doch sein könnte. An der Uni habe ich mal den Ansatz der identitätsorientierten Markenführung* gelernt. Klingt kompliziert, ist es aber im Endeffekt gar nicht: Die Identität eines Unternehmens definiert sich durch das Selbstbild der handelnden Personen eines Unternehmens und dem Fremdbild eines Unternehmens. Das Fremdbild wird dann durch Kunden, Lieferanten etc. definiert. Im Idealfall ist die Schnittmenge der beiden Bilder so groß, dass bei den Seiten mit der Identität leben und miteinander prägen können.
Die große Herausforderung ist dabei eigentlich immer, dass beide Seiten für sich vergleichbare Inhalte definieren, die dann die beiden Bilder ausmachen
Wenn wir dieses, zugegebenermaßen vereinfachte Prinzip, auf unseren Fußball-Verein übertragen, ist der erste Schritt eigentlich schon gemacht. Der Verein, Gremien und Mitglieder, haben sich auf der Jahreshauptversammlung im Jahr 2012 ein Leitbild gegeben. Ein Schriftstück, welches die Grundsätze des Handelns und der Außendarstellung des Vereins definiert. Ein besseren Ausgangspunkt kann es eigentlich gar nicht geben. Natürlich sind die „Arbeitsfelder“ von Gremien und Mitglieder unterschiedlich, die Grundsätze auf Basis des Leitbildes bleiben aber gleich. Es sollte daher recht simpel sein, die Schnittmenge für Selbst- und Fremdbild und damit eine starke Identität zu schaffen.
Problematisch wird es immer dann, wenn eine Seite die andere immer wieder an die definierten Werte im Leitbild erinnert, sich selbst aber nicht wirklich daran hält. Dann entsteht das Problem, dass die eine Seite sich von der anderen Seite nicht mehr ernstgenommen fühlt, da auf einmal Selbst- und Fremdbild doch nicht mehr so deckungsgleich sind. Es entsteht ein Ungleichgewicht, welches die Einhaltung der Identität nur auf einer der beiden Seiten sieht.
Und ich befürchte genau an diesem Punkt sind wir aktuell beim FC Schalke 04. Es liegt mir fern zu behaupten, dass die Mitglieder sich ausschließlich an das Leitbild halten und die Schuld allein beim Verein zu suchen ist. Allerdings liegen die Beispiele, bei denen der Verein das Leitbild großzügig umschifft auf der Hand und sind einfach deutlicher. Kartenpreiserhöhung, fehlender Dialog, Viagogo…
All das sind Beispiele, die sich aus der Definitionssicht der Mitglieder nicht mit dem Leitbild vereinbaren lassen. Aus Sicht der Mitglieder verhält sich der Verein nicht korrekt und vor allem nicht gemäß der Absprache. Es entsteht das Gefühl, dass lediglich die Mitglieder Ihren Teil zur Bildung der Identität beitragen. Die Gremien dagegen das Leitbild selbst nur nutzen, wenn es gerade passt oder sich etwas vermarkten lässt
Die Konsequenz ist eine Unzufriedenheit und die zurecht gestellte Frage, ob das Leitbild von beiden Seiten korrekt verstanden wurde oder gar gelten soll?
Sollte es nur ein Pamphlet zur Steigerung der Vermarktungserlöse sein, können wir uns die kompletten Verweise auf das Leitbild sparen. Eine starke Identität, gebildet aus großen Übereinstimmungen in Handlungen und Verhaltensweisen von Gremien und Mitgliedern ist nach aktuellem Stand dann schlicht unmöglich. Und so ungern ich den schwarzen Peter immer nur an die Gremien schiebe, sind diese nun in der Pflicht.
Aufsichtsrat, Ehrenrat und Vorstand sind nach Ihren Aussagen auf der letzten Jahreshauptversammlung am Zug, das Profil der Gremien im Bezug auf das Leitbild zu schärfen. Die Botschaften der Mitglieder sind angeblich angekommen und wurden verstanden. Das klingt schon einmal gut, denn nur wer mit offenen Karten spielt und sich an die eigenen Regeln hält, kann erwarten, dass sich die Mitglieder ebenfalls an das Leitbild halten. Nur dann kann sich eine Identität entwickeln. Eine Identität, die die Mitglieder stolz macht, den Gremien Ihre Arbeit erleichtert. Und Alexander Jobst kann einen Verein mit Identität mit Sicherheit auch leichter vermarkten.
Und machen wir uns nichts vor, wie großartig wäre ein Verein FC Schalke 04 mit einer Identität, die von allen Seiten getragen wird. Ein Verein mit einer Identität, auf die wir stolz sein können.
Ziemlich gut. Vielen Dank.
Hat nur indirekt was mit deinem Artikel zu aber beschäftigt mich schon eine ganze Weile.
Einzigartigkeit.
Mir fehl ist der Punkt Einzigartigkeit im Wettbewerb. Da seh ich irgendwie schwarz. Ein paar Verweise auf die Vergangenheit aber was ist an Schalke 04 eigentlich Einzigartig im Jahr 2013 im Vergleich zu Borussia Dortmund, Bayern München, Hamburger SV. Mir fällt nichts ein und ich fände es toll, wenn es was zeitgenössisches geben würde.
Bspw: Die Kumpel- und Malocher Dauerkarte in der Kategorie 1 für 200€.
Einzigartigkeit im positiven Sinne erschaffst Du Dir eigentlich immer aus zwei Komponenten.
1) Der Historie
2) Die Übertragung der Historie in die Gegenwart gepaart mit aktuellen Themen. Hier muss es für jeden aber greifbar sein.
Altuell lohnt sich, auch wenn es schwer fällt, ein Blick nach Essen. RWE versucht sich gerade komplett neu aufzustellen und bedient sich der Historie. Gleichzeitig schlagen die Herrschaften dort aber die Brücke zur Moderne und erzeugen Aufbruchsstimmung.
Sehr guter Artikel!
Er hat mir geholfen, dieses dumpfe Gefühl in der Magengegend, das ich seit Sonntag mit mir herumtrage, in Gedanken zu wandeln.
Danke!
Vielen Dank für das Lob!
Sehr gut geschrieben. Wichtig wird es sein wieder das große Ganze zu sehen!
Auf Mitgliederseite darf die durchaus vorhandene Energie nicht für „Kleinigkeiten“ verschwendet werden und die VS-/AR-Seite wäre absolut falsch beraten alles auf den Faktor Zeit zu setzen, auch, wenn die Verlockung nach dem Gegenwind auf der MV groß sein sein dürfte.
Gut geschrieben! Und es hat sich doch auch gezeigt, dass die Worte auf der JHV nicht nur leere Versprechen waren, sondern ernst gemeint gewesen sind, zumindest zunächst in Bezug auf Viagogo. Weckt die Hoffnung, dass wirklich was bei den Gremien angekommen ist.
Hoffen wir einfach mal das Beste!